Menschen, die sich in Europa für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant:innen einsetzen, werden zunehmend verleumdet, eingeschüchtert oder sogar vor Gericht gestellt. Ehrenamtliche Helfer:innen, NGOs, Besatzungsmitglieder von Rettungsschiffen, Journalist:innen, oder Politiker:innen geraten ins Fadenkreuz von Ermittlern.
So ist es in Ungarn beispielsweise verboten, Schutzsuchenden Asylverfahrensberatung zu geben. In Frankreich wurde Pierre Mumber im Januar 2019 zu drei Monaten Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem er Asylsuchenden in den Alpen heißen Tee und warme Kleidung angeboten hatte (inzwischen freigesprochen). Viele von euch kennen auch die Briefmarathon Fälle von Seán Binder und Sarah Mardini. Auf der griechischen Insel Lesbos leisteten sie humanitäre Hilfe und wurden daraufhin für drei Monate inhaftiert.
Besonders stark sind auch private Seenotretter:innen von Diffamierungen und Kriminalisierung betroffen. Ihnen wird häufig vorgeworfen, sie würden illegale Einwanderung unterstützen und mit Schleppern zusammenarbeiten.
Die ehrenamtliche Besatzung der Iuventa rettete im Mittelmeer mehr als 14.000 Menschen vor dem Ertrinken. Für dieses Engagement drohen zehn früheren Besatzungsmitgliedern lange Haft- und Geldstrafen und ihr Schiff wurde beschlagnahmt. Die Iuventa-Crew ist kein Einzelfall. Sie steht für all die freiwilligen Helfer:innen, die sich auf dem Wasser und auf dem Land für das Überleben von Schutzsuchenden einsetzen. Amnesty International zeichnet sie daher stellvertretend für all diese Menschenrechtsverteidiger:innen mit dem Amnesty Menschenrechtspreis 2020 aus.
Menschen überhaupt fürs Helfen zu bestrafen, ermöglicht eine europäische Richtlinie aus dem Jahr 2002. Ursprünglich sollten damit Schleuser strafrechtlich belangt werden. Wenn Menschen Flüchtlingen und Migrant:innen aus humanitären Gründen helfen, kann die Richtlinie im Ausnahmefall Straffreiheit erlauben. Viele Mitgliedstaaten der EU nutzen diese Möglichkeit aber nicht. In der Praxis drohen Helfer:innen immer wieder Geld- und Freiheitsstrafen.
Wir sammeln für einen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem wir sie auffordern, sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft dafür einzusetzen, dass:
- laufende Verfahren gegen Lebensretter:innen (u.a. die Iuventa 10) eingestellt werden
- dass EU-Recht den humanitären Einsatz für geflüchtete Menschen in Not nicht weiter kriminalisiert, sondern ausdrücklich erlaubt.
Habt ihr Lebensretter:innen – Ärzt:innen, Rettungssanitäter:innen, Krankenpfleger:innen, Feuerwehrleute, Rettungsschwimmer:innen oder ähnliche Berufsgruppen – in eurem privaten Umfeld? Bitte sprecht sie an und bittet sie um Unterstützung! Den Appell findet Ihr hier.